P. Schwartz-Wort für den Monat Februar

Jesus hat sich selbst den guten Hirten genannt, der seine Schafe liebt. Weil nun Jesus auf der Erde nicht geblieben ist, so hat er andere zu Hirten bestimmt: das sind die Priester. Deshalb müssen auch diese, die Stellvertreter Jesu sind, gute Hirten sein. Sie müssen auch ein Herz haben, wie es der liebe Heiland gehabt hat. Jesus weinte, weil ihm das Unglück Jerusalems wirklich zu Herzen ging. So würde auch jeder gute Hirte große Angst ausstehen, wenn er befürchten muss, dass ihm ein Schäflein verloren gehen kann. Meine lieben Lehrlinge, es gibt zwei Arten von Martyrium. Das erste ist das Martyrium des Blutes, wo man das Leben durch gewaltsamen Tod hingeben muss, das zweite ist: das Martyrium des Herzens. Dieses letzte, meine lieben Lehrlinge, tut sehr wehe! Das verursacht einen solchen Schmerz, das fühlt man so sehr, das ist so groß, dass man oft meint, das Herz müsse brechen! Und worüber empfindet man diesen Schmerz? Rührt dieses Wehe vielleicht her von einer Person, die man gar nicht kennt, die man nicht liebt? O nein! Das Wehe, das Jesus über Jerusalem empfand, das Wehe eines Priesters kommt, rührt her von Seelen, die der gute Hirt liebt!

Ach, das ist ein eigentümliches Wehe, das Ihr noch nicht empfunden habt. Es liegt das wie eine Zentnerlast am Herzen, man kann nicht frei, nicht ordentlich reden, man kann nichts tun, man hat keine Ruhe, man ist immer mit seinen Gedanken nur bei seinen Schäflein, man fragt sich stets: Was wird er jetzt tun? Soll er also doch verloren gehen? Das ist ein großer Schmerz! Und glaubet Ihr nicht, meine lieben Lehrlinge, daß diesen Schmerz auch der Hirte schon empfunden hat, der jetzt hier vor Euch steht? Ja, dieser Hirte hat das Wehe auch schon empfunden! Ich habe es empfunden, meine lieben Lehrlinge, weil ich Euch liebe! Wenn ich gleichgültig wäre, würde ich mir denken: dies oder jenes macht nichts! Wenn er nicht kommen will, soll er draußen bleiben! Aber das ist nicht der Fall! Der gute Hirte gibt sein Leben für seine Schafe.

sel. P. Anton M. Schwartz, Ansprache im Lehrlingsoratorium am 26.7.1896