P. Schwartz-Wort für den Monat November

Der hl. Apostel Paulus schreibt: „Dem Menschen ist gesetzt, einmal zu sterben, und dann kommt das Gericht.“ Hebr. 9,27 Ja, liebe Christen, einmal müssen wir sterben, und dann – dann kommt das Gericht. Und welches Gericht! Wer ist es, der uns richten wird? – Wer?- Es ist der allwissende, der höchst hl. und gerechte Gott; dieser ist es, der über uns Gericht halten wird.

Wenn wir unser verflossenes Leben überschauen, so beängstigt uns vielleicht die Erinnerung an so manche Schuld: wir fühlen, daß wir schuldbeladen vor Gott dem Herrn sind. Aber dennoch, wie viele Fehler, wie viele Sünden sind unserem Gedächtnisse entschwunden, wir denken gar nicht mehr an sie; wie viele Unvollkommenheiten und läßliche Sünden haben wir begangen, die uns gar nie aufgefallen sind, wie es im gewöhnlichen Verkehre und Umgange so viele Gelegenheiten gibt.

Wer vermag einen anhaltenden Blick in die Sonne zu machen? Teuer müsste jeder dieses Unterfangen büßen. Das leibliche Auge vermag nicht den Glanz des Gestirnes zu ertragen, es müßte erblinden. Was ist aber das Licht der Sonne im Vergleiche zur Herrlichkeit, zum unendlich hellen Glanze der göttlichen Sonne der Gerechtigkeit, im Vergleiche zum Lichte, in dem Gottes Majestät glänzt und strahlet! Als der göttliche Heiland auf dem Berge Tabor vor den drei geliebten Aposteln verklärt wurde, da fielen diese auf ihr Angesicht, denn sie konnten den Schimmer und den Glanz des Heilandes nicht ertragen – seine Herrlichkeit war für ihr schwaches Auge zu großartig; und doch war diese Verklärung auf Tabor sozusagen nur ein Lichtstrahl, der von dem Himmel auf die Erde herniederleuchtete, – wie herrlich, wie glanzvoll muss erst die Herrlichkeit Gottes in dem Himmel sein! In dieses Licht, in dessen Vergleiche die Sonne dunkel ist, kann aber nur ein reines Auge schauen, ein Auge, das vollkommen rein ist, d. h. der Anschauung Gottes kann nur jene Seele teilhaft werden, welche ganz heilig ist, daß nicht der kleinste, der unbedeutendste Makel an ihr klebt. Denn Gott ist höchst heilig, er verabscheut das Böse und zwar, weil er eben höchst heilig, unendlich heilig ist, das kleinste Böse, die geringste Unvollkommenheit. In der Nähe dieses höchst hl. Gottes kann nichts sein, was im Geringsten nur, einigermaßen nur nicht ganz heilig wäre. O, liebe Christen, wer aus uns besitzt eine solche Heiligkeit!

sel. P. Anton Maria Schwartz, Predigt für das Fest Allerseelen, vermutlich aus der Kaplanszeit in Marchegg